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Mittwoch, 6. Juni 2012

Für Träume ist es nie zu spät

Ich glaube fest daran, dass es in jedem Menschen einzigartige Wünsche gibt, die heraus wollen.

Eine Bekannte von mir hat eigentlich seit ihrer Jugend homosexuelle Neigungen. Sie wollte aber immer nur irgendwie "normal" sein. Deshalb hat sie geheiratet, mit ihrem Ehemann ein Haus gekauft und einen kleinen Sohn bekommen. Sie hat versucht, sich anzupassen. Für ihre Eltern, für ihre Freunde, für wen auch immer. Vielleicht für sich selbst. Um einfach "normal" zu sein. Und jetzt hat sie sich in eine Frau verliebt. Es mag unglaublich schwierig für sie werden, vielleicht zerbricht an diesem Wunsch wirklich eine Ehe - aber was ist eine Ehe wert, in der man sich wie im Gefängnis fühlt?

Ein Freund von mir braucht einen neuen Schrank. Er will die weissen Türen nehmen, weil er befürchtet, dass sein bester Freund die Nase rümpft über die hochglanz-verspiegelten Glastüren mit Chromstahlfassung. Dabei mag er genau diesen Stil. Ich hoffe noch, dass er sich trotzdem die Türen kauft, die er sich eigentlich wünscht.

Ich selbst habe ein Studium angefangen, weil mich mein damaliger Freund dazu überredet hat. Hauptfach Publizistik, Nebenfach Informatik. Erst nach sieben Jahren erkannte ich, weshalb ich so unfähig war, zu studieren, weshalb jede einzelne Prüfung so ein unglaublicher Kampf war! Ich wollte das überhaupt nicht. Ich war nicht mit dem Herzen dabei. Informatik studierte ich, um meinem Vater einen Gefallen zu tun. Dabei hatte ich damals mit 19 Schriftstellerin werden wollen...
Vor einem Jahr ging ich dann auf Berufssuche. Bis dahin hatte ich meinen Berufswunsch im Wochentakt gewechselt. Ich schrieb alles auf eine Liste, aber wirklich alles, was mich auch nur im Ansatz interessierte. Unabhängig davon, ob ich das kann oder nicht. Und irgendwie gelang ich über Umwege zu der Webseite einer ansässigen Kunstfachhochschule. Da war dieses "Kribbeln" in meinem Bauch. Mir blieb die Luft weg. "Wenn das tatsächlich sein könnte... aber die nehmen mich doch sowieso nicht...", dachte ich. Andererseits kostete die Anmeldegebühr für den Vorkurs einen läppischen Hunderter. Fünf Wochen vor Anmeldeschluss rang ich mich durch und arbeitete mir die Finger wund.
Sie haben mich angenommen. Ich habe in meiner Kindheit nicht besonders viel gezeichnet oder sonst irgendetwas Künstlerisches gemacht. Ich hab immer nur Texte geschrieben. Aber je länger ich zeichne, desto mehr merke ich, dass es sich genauso anfühlt wie das Schreiben. Ich bin einfach glücklich. Ob ich Illustratorin, Künstlerin oder Kunstlehrerin werde, habe ich noch nicht komplett entschieden.

Mit neunzehn habe ich einen Fehler gemacht. Der Berufsberater hat mich gefragt, ob eine Ausbildung als Schriftstellerin in Frage kommen würde. Ich habe damals mit nein geantwortet. Ich hatte zu viel Angst. Dass ich finanziell nicht würde überleben können. Dass meine Eltern entsetzt sein würden. Ich bin froh, dass ich jetzt den Mut habe, endlich das zu tun, was ich tun will. An der Universität fühlte ich mich tot, die ganze graue Theorie erstickte mich. Statt dessen fange ich an, zu sehen. Wohin ich gehe, ich sehe Farben und Formen, ich sehe Geschichten, die es zu erzählen gibt. Ich erzähle immer noch Geschichten wie damals als Kind - nur diesmal in Bildern. Ich liebe es, Menschen mit meinen Erzählungen zu berühren. Und immer, wenn ich auf jemanden treffe, der sich seine eigenen Wünsche versagt - aus welchen Gründen auch immer - möchte ich diese Wünsche herauskitzeln, so lange, bis sie ihn oder sie richtig plagen, bis sie mitten in der Nacht mit geröteten Wangen aufwachen und nur noch fieberhaft an diesen einen Traum denken können. Man muss dafür nicht alles wegwerfen, auch ich arbeite nebenher im Informatik-Bereich, um meine Brötchen zu verdienen. Manchmal reicht es, wenn man den grossen Zeh ins Wasser streckt - und ehe man es sich versieht, schwimmt man davon.

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