Kürzlich sass ich in einem Vortrag zum Thema Medienkompetenz. Dort ging es darum, dass Kinder und Jugendliche lernen müssen, sich nicht einfach alles anzuschauen, was es im Fernsehen und im Internet gibt. Es geht darum, auszuwählen, sich selbst begrenzen zu können. Das Thema betrifft wohl nicht nur Kinder. Ich habe ausgerechnet, dass ich teilweise bis zu fünf und mehr Stunden pro Tag (im Durchschnitt) ferngesehen habe. Nach der fünften Sendung schaut man eigentlich nur noch, weil sich das eigene Gehirn im Passiv-Modus befindet. Man hat sich an die Berieselung gewöhnt. Man hat sich daran gewöhnt, nicht mehr zu denken, sich selbst nicht mehr zu spüren, nicht mehr zu existieren. Es gibt nur noch diese digitale Welt. Ich bin nicht mehr die einfache Studentin, ich bin ein Detective, ich bin eine Heldin, ich bin eine Dramaqueen - was immer ich sein möchte. Identitätswechsel per Knopfdruck.
Zattoo und Co haben seit neuerer Zeit das Angebot, die Sendungen der gesamten letzten dreissig Tage anzusehen. Was bedeutet das für uns? Nie wieder lästiges Zappen, weil gerade nichts kommt. Morgens um acht gibt es Krimis und Spielfilme statt dem Frühstücksfernsehen, das man ohnehin nur geschaut hat, weil nichts Anderes da war. Ein Buffet mit den eigenen Lieblingsspeisen. Aber wenn man isst, findet der eigene Magen irgendwann, dass es genug ist. Isst man noch mehr, wird einem schlecht. Isst man dann noch mehr, wird der Magen sein Essen eben wieder los.
Beim Fernsehen gibt es keine natürliche Grenze. Man kann 24h um die Uhr sehen und niemand sagt "stopp". Je mehr man konsumiert, desto weniger merkt man, dass es eigentlich zuviel ist. Dass man vergisst, den Müll rauszutragen, dass man nicht mehr duscht. Und dann wird es zur Sucht. Man kann nicht mehr ohne. Wenn die Kiste nicht läuft, fühlt man sich unwohl. Man fühlt sich geradezu wie ein Junkie, der nach dem nächsten Schuss giert.
So weit wollte ich es nicht kommen lassen. Deshalb habe ich jetzt die Reissleine gezogen. Ich schau ab sofort kein Fernsehen mehr. In einigen Monaten werde ich nochmals schauen, ob ich einen geregelten Fernsehkonsum irgendwie einführen kann. Ich spüre schon jetzt die ersten Effekte. Ich spüre mich selbst und meine Gefühle wieder viel mehr, ich hab so viel mehr Zeit, ich fange sogar wieder an, zu lesen... das Leben wird reichhaltiger. Das echte Leben. Nicht das imaginäre.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen